Menschliche Abgründe
Die Gruppe, bestehend aus Gabhan, Grazyna, Valerian, Nella, Heskor, Jiri und Atheris war nach den ereignisreichen Tagen in der großen Stadt Wyzima ein Stück nordwärts gereist, wo sie in der Schenke „Rehfuß“ entspannen konnten. Allerdings meinte der Inhaber, ein Wirt mit schütterem Haar und schlechten Zähnen, dass sich vor kurzem jemand nach Mutanten, Andersartigen, eben „genau so welchen wie ihr … Hexer“ umgehört habe, ein Magier aus Ban Ard der in Richtung Kestrel Berge aufgebrochen war, vermutlich um zu seiner Akademie zurückzukehren. Nach dem schnellen Entschluss dieser Spur nachzugehen, traf die Gruppe auf einen stets heiteren und angetrunkenen Feldscher mit dem Namen Ludwig, sowie einen Skelliger namens Nechtan, der anbot, die Gruppe durch das Gebirge zu führen, da er wohl viel unterwegs sei und oft als Führer fungiere.
Doch bereits wenige Stunden nach der Überquerung der redanischen Grenze – Nechtan hatte die großen Zollstationen weit umgangen – stand die Gruppe vor einem Problem: links und rechts ging es nicht weiter, sumpfiger Morast machte ein Weiterkommen zu beiden Seiten hin unmöglich, vorn wiederum herrschte Stau; etliche Viehzüchter, Bauern und Händler warteten bereits.
Nach einer kurzen Untersuchung konnte die Gruppe feststellen, dass ein Adliger, „der Herr Targill vom kleinen Wäldchen, Cousin ersten Grades vom Herrn des großen Wäldchens“ mit seiner Kutsche einen Unfall hatte, das große Wagenrad steckte tief zwischen zwei eingewachsenen Steinen.
Der Adlige ergriff nach kurzem Dialog Gabhans Schwert und ließ einen seiner Mannen mit diesem das Wagenrad noch oben hebeln, etwas anderes passte nicht in die schmale Nische zwischen Rad und Stein und schließlich wusste doch jeder, dass Hexerschwerter verzaubert und somit unzerstörbar waren. Gleichzeitig formte Atheris das Zeichen Aard und Heskor stellte sich, aus unerfindlichen Gründen, direkt vor ihn. Es kam wie es kommen musste – einer Kartaune gleich wurde Heskor gegen den Knecht geschleudert, beide flogen nach hinten und die Waffe brach entzwei.
Von Wut übermannt schleuderte der Bärenhexer die Kutsche zur Seite, woraufhin Reichtümer aus Nilfgaard zum Vorschein kamen – offensichtlich hatte sich der redanische Adlige vom Feind kaufen lassen. Nach einem lauten Rufen Gabhans ging die – bisher wartende – Menge in Raserei über, die paar Wachsoldaten wurden mit Flegeln, Heugabeln, Steinen, Fäusten, Zähnen und Schuhen niedergemacht.
Der Adlige wurde am Leben gelassen, jedoch wurde er, zuvor von Atheris bei der Flucht gestoppt, mit einem Sklavensymbol aus Nilfgaard versehen, etwas, für das Gabhan viele finstere Blicke erntete. Nechtan war, wie sie später feststellen, offenbar irgendwo in der lauten Meute untergegangen und war nicht mehr auffindbar.
Das darauffolgende Dorf schien wie verlassen, es war nicht namenhaft und nicht groß, deswegen sei an dieser Stelle auch kein Name genannt. Die Gruppe entdeckte exakt abgetrennte Leiber die mal in der Mitte, mal längs, mal am Kopf, mal an den Beinen Portalmagie war, denn noch während sie durch das Dorf gingen, wurden sie durch solche entführt.
Eine Weile folgte Schwärze und als jeder der Gruppe, mit einem unglaublich trockenen Mund und schmerzenden Gliedern aufwachte, sahen sie sich in Zellen wieder, jeder in einer eigenen. Das Dimeritium an den Wänden verhinderte ein magisches Einwirken, der Wille zum Ausbruch war aber dennoch zu stark und so kratzten die einzelnen Gefangenen mit spitzen Gegenständen so viel Mörtel aus dem Mauerwerk, dass sie nach und nach Steine abtragen konnten.
Auch die beiden Gehilfen – ein offensichtlich geistig verwirrter und ein Mann mit einer Armbrust – Bohold und Ilmar, konnten sie nicht stoppen. Nachdem die Gruppe aus den Zellen geflohen war, schienen die Gehilfen vollkommen überfordert mit der Situation und taten einfach … nichts. Beim durchstreifen des Kerkers konnte die Gruppe nun etliche Experimente sehen, sowohl an Tieren, Monstern und auch Menschen – jeder von ihnen war auf eine andere Weise „modifiziert“ oder verbessert worden, doch keiner davon lebte mehr wirklich, sondern bettelte nur noch vor Schmerzen um den Tod.
Dies alles war das Werk vom gesuchten Magier, „Asken Hilvering“, ein ehemaliger Schüler aus Ban Ard, der zusammen mit einigen Kommilitonen von der Akademie verbannt wurde, da ihre Experimente zu grausam und zu schlecht für den Ruf der Institution waren.
Hier, in diesem Kerker schien Asken seine Forschungen fortgesetzt zu haben, offenbar mit dem Ziel herauszufinden, wie Hexer einst entstanden waren, um selbst etwas „noch besseres“ zu erschaffen, doch jeder seiner Versuche war gescheitert. Im Wahn setzte er sich selbst Tieraugen ein, was seinen Verstand vollends vernichtet hatte. Valerian und Grazyna entdeckten einen regen Briefaustausch zwischen Asken und den anderen Zauberern, die damals von Ban Ard verwiesen wurden, die Gewissheit, dass dies nur einer von mehreren Orten sein konnte, wo solche Versuche durchgeführt wurden, kam schnell – beinahe so schnell wie die Bitte darum, dass Gabhan allen elenden Kreaturen Gnade durch einen schnellen Tod erweisen sollte.